5  Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Verallgemeinerung der \bm{k}\cdot \bm{p}-Theorie abgeleitet, die eine effiziente Behandlung periodischer Störungen erlaubt. Dabei werden als Basis Bloch-Zustände des ungestörten Systems verwendet, die zu unterschiedlichen Punkten im reziproken Raum gehören, wobei die Auswahl dieser Punkte durch die periodische Störung bestimmt wird. Dadurch wird das Problem auf eine algebraische Gleichung abgebildet, die neben den Parametern der Standard \bm{k}\cdot \bm{p}-Theorie noch zusätzliche Potentialmatrixelemente enthält. Methoden, wie sie in der Standard \bm{k}\cdot \bm{p}-Theorie verwendet werden, können auf Grund der formalen Ähnlichkeit zwischen den Gleichungen auf unsere Fragestellung übertragen werden.

Als Beispiel einer Anwendung dieser Theorie diskutierten wir spontan geordnetes GaInP₂. Die in diesem Materialsystem beobachtete CuPt-artige Ordnung führt zu einer Wechselwirkung zwischen Zuständen vom \Gamma- und L-Punkt der ungeordneten Stuktur. Diese Wechselwirkung führt einerseits zu einer Mischung der untersten Leitungsband-Zustände von \Gamma- und L-Punkt, was die effektiven Masse im untersten Leitungsband erhöht. Andererseits verkleinert sie die Bandlücke, was eine Verringerung der effektiven Masse zur Folge hat. Deshalb ist eine richtige Beschreibung der Abhängigkeit der effektiven Masse im Leitungsband vom Ordnungsgrad nur dann möglich, wenn diese Wechselwirkung gut beschrieben wird.

Mit Hilfe der hier vorgestellten Theorie wurde ein Modell entwickelt, das sowohl die Wechselwirkung zwischen Zuständen an verschiedenen Punkten der Brillouin-Zone als auch die Veränderung der Wechselwirkung zwischen Zuständen am gleichen Punkt der Brillouin-Zone berücksichtigt. Dies war bisher im Rahmen von Standard \bm{k}\cdot \bm{p}-Modellen nicht möglich.

Die Form des Hamilton-Operators ist durch die Symmetrie der ungeordneten Struktur und der ordnungsbedingten Störung eingeschränkt. Mit Hilfe gruppentheoretischer Überlegungen bestimmten wir diese Form und reduzierten damit die Anzahl der in diesem Modell auftretenden Matrixelemente. Die Beträge dieser Matrixelemente erhielten wir aus Bandstrukturrechnungen oder konnten sie an Ergebnisse anderer Untersuchungen anpassen. Der einzige freie Parameter beschreibt den Grad an Ordnung. Die Bestimmung der Vorzeichen der Potentialmatrixelemente erwies sich als schwierig. Wir konnten jedoch die Anzahl der verschiedenen Möglichkeiten auf zwei reduzieren, von denen eine mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.

Die Ergebnisse für die Ordnungsabhängigkeit der effektiven Masse des untersten Leitungsbandes stehen in guter Übereinstimmung mit All-Elektronen-Rechnungen und experimentellen Daten. Außerdem erhalten wir Vorhersagen für die effektiven Massen des rückgefalteten Leitungsband-Zustandes des L-Punkts und die Impulsmatrixelemente zwischen Leitungsband- und Valenzband-Zuständen. Unser Modell sagt anisotrope Impulsmatrixelemente voraus. Diese Anisotropie ist wichtig für die Polarisationsabhängigkeit optischer Übergänge in diesem Material, wurde aber bisher nicht berücksichtigt.

Für zukünftige Untersuchungen erscheinen uns verschiedene Erweiterungen des in dieser Arbeit verwendeten Modells interessant. So untersuchten wir nur die Leitungsband-Zustände, doch läßt sich dieses Modell auch auf Valenzband-Zustände anwenden, wenn aus Bandstrukturrechnungen die Parameter bestimmt werden, welche die Dispersion im Valenzband des ungeordneten Systems beschreiben. Auch die Einbeziehung der Spin-Bahn-Wechselwirkung sowie von Verzerrungen ist möglich. Neben GaInP₂ können auch andere Materialien mit CuPt-atriger Ordnung beschrieben werden, doch wäre es dabei vorteilhaft die Potentialmatrixelemente berechnen zu können, da nicht für alle derartigen Materialien genügend Daten aus anderen Untersuchungen vorliegen.

Neben CuPt-Ordnung werden noch verschiedene andere Ordnungstypen in III–V-Halbleiterlegierungen beobachtet. Solche Systeme können analog zu dem hier beschriebenen Vorgehen behandelt werden, wenn die gruppentheoretische Analyse entsprechend angepaßt wird. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit besteht in der Beschreibung künstlicher Übergitter, wo eine variable Störung durch unterschiedliche Periodizität erzeugt wird. Hier wäre es sinnvoll zu untersuchen, ob Zustände von allen rückfaltenden Punkten des reziproken Raumes berücksichtigt werden müssen oder ob eine Beschränkung auf ausgewählt Punkte möglich ist.